Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT)
Eine nicht-invasive Behandlungsmethode bei Erektionsstörung, Induratio penis plastica (IPP) und chronischen Beckenschmerzen (CPPS)
Sehr geehrter Patient,
im Folgenden möchten wir Ihnen Informationen zur extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) geben, einer innovativen Behandlungsmethode, die in den letzten Jahren auch bei Sexualstörungen erfolgreich zur Anwendung kommt.
① Allgemeines zur ESWT
ESWT-ApplikatorDie ESWT ist ein etabliertes Verfahren bei der Therapie von Nierensteinen1, sowie bei der Behandlung verschiedener muskulo-skelettaler Erkrankungen2, chronischer Wunden, Nerven- und Herzerkran-kungen3,4. Die ESWT-Technologie nutzt hochenergetische Druckwellen (Stoßwellen), die Schallwellen ähnlich sind, sich aber sowohl in Energie, als auch Anstiegs- und Ausbreitungsgeschwindigkeit unterscheiden. Die zur Behandlung entwickelten Applikatoren (siehe Abb. 1) geben die Stoßwellen so ab, dass eine punktuelle Bündelung im Gewebe möglich ist. Stoßwellen können zum einen kleinere Fragmente (wie etwa Nierensteine) brechen, die Neubildung von Blutgefäßen (sogenannte Neo-Angiogenese) im Gewebe anregen5,6 und im Tiermodell die Produktion lokaler Vorläuferzellen des Penis stimulieren7. Zusätzlich wird eine entzündungshemmende Wirkung der Stosswellen vermutet8.
② Anwendungsbereiche und Erfolgsaussichten der ESWT
Neben den genannten Bereichen wurde in den letzten Jahren die ESWT-Technologie weiter modifiziert und Behandlungsstrategien in der Sexualmedizin etabliert. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von klinischen Studien, die eine Erfolg eindeutig nachweisen konnten. Zu den Anwendungsbereichen gehören:
Erektionsstörung (erektile Dysfunktion; ED)
Die erektile Dysfunktion (ED) ist eine weltweit verbreitete Krankheit. Sie wird definiert als Unfähigkeit eine Gliedsteifigkeit – trotz sexueller Stimulation – für den Geschlechtsverkehr zu entwickeln oder aufrechtzuerhalten. Definitionsgemäß betrifft das die Mehrzahl der Versuche (>70%) über mindestens 6 Monate9. Die Wahrscheinlichkeit einer ED steigt mit zunehmendem Alter und bei entsprechenden Begleiterkrankungen wie etwa einem Bluthochdruck oder einem Diabetes an. Eine Studie ergab, dass etwa 20% der Männer von einer ED betroffen sind10. Die medikamentöse Therapie (mit einem Phosphodiesterase-Typ-5-Inhibitor wie Sildenafil oder Tadalafil) ist derzeit Standard. Einige Patienten sprechen aus verschiedenen Gründen allerdings nicht auf diese Therapie an, so dass alternative Therapien (andere Medikamente, Hilfsmittel, Penisprothese) diskutiert werden müssen9. Es ist anzumerken, dass diese Therapien nicht kausal sondern rein symptomatisch wirken. Auch haben diese Therapien unter Umständen Nebenwirkungen. Als neuer Therapieansatz der ED wurde im Jahr 2010 die niedrig-energetischen extrakorporalen Stoßwellentherapie (Li-ESWT) erstmals vorgestellt11. In den folgenden Studien zeigte sich, dass die Technik für den Patienten gut tolerabel ist und es zu einer Verbesserung der penilen Durchblutung und damit höheren Erektionsqualität kam12-15. Ein aktuelle Studie konnte ein weiterer positiver Effekt beschrieben werden: So wirkte nach einer ESWT-Behandlung (mindestens 6 Sitzungen) eine medikamentöse Therapie erstmalig wieder, nachdem es vor der ESWT zu einem Nichtansprechen gekommen war16. Zusammenfassend ist die Li-ESWT zu einer therapeutischen Option bei der Behandlung von ED-Patienten geworden.
Penisverkrümmung (Induratio penis plastica; IPP)
Eine Induratio Penis Plastica (IPP), auch als Peyronie-Krankheit bekannt, ist ein erworbener und meist fortschreitender Zustand des Penis. Die meisten Männer bemerken das Vorhandensein der Krankheit, wenn sie verdickte Knötchen (sogenannte Plaques) unter der Haut des Penis ertasten. Mit fortschreitender Krankheit kann es zu Schmerzen, typischerweise zu einer Verkrümmung des Penis und ggf. mit Einschränkung der Erektionsfähigkeit kommen. Die Krümmung kann den Geschlechtsverkehr erschweren oder sogar unmöglich machen kann. Bei der Behandlung der IPP mit der ESWT werden die Schmerzpunkte im Penis behandelt. Der genaue Mechanismus der Wirkung der Stoßwellentherapie bei IPP ist nicht bekannt, obwohl zwei primäre Hypothesen existieren. Es wird angenommen, dass die Schockwellen die Plaques des Penis direkt schädigen und zu einer Umgestaltung führen. Zweitens wird vermutet, dass durch die Schockwellen erzeugte Wärme eine Entzündungsreaktion erfolgt, die zu einer örtlichen Immunreaktion mit anschließender (Teil-)Entfernung der Plaque führt17. In jüngster Zeit wurden mehrere Studien veröffentlicht, die eine Reduktion der Schmerzen und somit Verbesserung der Lebensqualität nachweisen konnten18-21. Auch zeigte sich eine Zunahme der Penislänge (Mediam +1 cm) und Abnahme sowohl der Plaquegröße, als auch des Krümmungswinkels (Median -5,4°)20.
Chronisches Beckenschmerzsyndrom (CPPS)
Das chronische Beckenschmerzsyndrom ist durch Schmerzen im Bereich des Beckenbodens über einen Zeitraum von mindestens 3-6 Monaten gekennzeichnet. Weitere Symptome sind Probleme beim Wasserlassen ohne Anzeichen einer Harnwegsentzündung. Einige Patienten leiden zusätzlich an einer Erektionsstörung. Die Therapieoptionen bei Vorliegen einer CPPS sind limitiert. Bei der ESWT werden spezielle Areale im Dammbereich behandelt, meist in Kombination mit einer medikamentösen Therapie. In klinischen Studien – diese z.T. Placebo-kontrolliert – konnte eine signifikante Verbesserung der Beschwerdesymptomatik erreicht werden22-24.
③ Vorteile einer ESWT
Eine extrakorporale Stosswellentherapie hat folgende Vorteile:
- Bei der ESWT handelt es sich um eine kausale und nicht-symptomatische Therapie
- Die Behandlung ist nicht-invasiv. Es sind keine relevanten Nebenwirkungen, bzw. Komplikationen bekannt. Das Auftreten von Blutergüssen ist selten. Gelegentlich kann es zu einer Blutbeimengung des Urins kommen25.
- Eine ESWT ist in der Regel komplett schmerzfrei. Während und nach der Therapie ist die Einnahme von Schmerzmedikamenten nicht erforderlich.
- Eine Kombination mit Medikamenten (wie ist z.B. Tadalafil) ist möglich und unter Umständen sinnvoll.
④ Penile ESWTESWT in unserer Praxis
In unserer Praxis verwenden wir die neueste ESWT-Technologie (Aries®; Firma Dornier). Ein ideales Therapieprotokoll mit festgelegter Anzahl an Schallwellen und EFD gibt es bisher nicht. Wir verwenden die in Studien als erfolgreich beschriebenen Schemata. Je nach Behandlungsgrund erfolgen mindestens 4-6 Therapiesitzungen (Gabe von jeweils 5000 Stosswellen) über jeweils etwa 30 Minuten26-28. Es werden befund-abhängig der gesamte Penis und die Dammregion (im Falle einer ED), der Penis (bei IPP) und spezielle Schmerzpunkte im Dammbereich (bei CPPS) behandelt (siehe Abb. 2). Die Sitzungen sollten in einem Abstand von ca. einer Wochen erfolgen. Eine Terminvereinbarung ist grundsätzlich Montag bis Freitag, sowohl am Vormittag als auch am Nachmittag (Ausnahme Freitag) möglich. Nach der Behandlung sind keine besonderen Verhaltensregeln (wie z.B. Liegen, Verzichten auf Sport etc.) bzw. die Einnahme von Schmerzmedikamenten ist nicht erforderlich. Die Verkehrstauglichkeit ist nach der Behandlung nicht eingeschränkt.
⑤ Kosten einer ESWT
Die vollständige oder zumindest teilweise Übernahme der Behandlungskosten durch Ihre Krankenversicherung oder einen anderen Kostenträger ist unter Umständen nicht gegeben bzw. nicht gesichert. Im Rahmen der ärztlichen Beratung/Behandlung werden in Ihrem konkreten Fall Gebühren pro Behandlung gemäß der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) anfallen.
Sollten Sie noch Fragen zur ESWT haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Ihr Praxisteam
Literaturangaben
1 Rassweiler JJ et al. Shock wave technology and application: an update. Eur Urol. 2011; 59: 784-96
2 Wang CJ. Extracorporeal shockwave therapy in musculoskeletal disorders. J Orthop Surg Res. 2012; 20: 7-11
3 Aicher A et al. Low-energy shock wave for enhancing recruitment of endothelial progenitor cells: a new modality to increase efficacy of cell therapy in chronic hind limb ischemia. Circulation. 2006; 114 (25): 2823-30
4 Nishida T et al. Extracorporeal cardiac shock wave therapy markedly ameliorates ischemia-induced myocardial dysfunction in pigs in vivo. Circulation. 2004; 110 (19): 3055-61
5 Chen RF et al. Modulation of vascular endothelial growth factor and mitogen-activated protein kinase-related pathway involved in extracorporeal shockwave therapy accelerate diabetic wound healing. Wound Repair Regen. 2019; 27 (1): 69-79
6 Wang C et al. Shock wave therapy induces neovascularization at the tendon-bone junction: A study in rabbits. J Orthop Res 2003;21:984-9
7 Lin G et al. In situ activation of penile progenitor cells with low-intensity extracorporeal shockwave therapy. J Sex Med 2017; 14: 493-501
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9 Hatzimouratidis K et al. Guidelines on Male Sexual Dysfunction: Erectile dysfunction and premature ejaculation. European Association of Urology 2019
10 Braun M et al. Epidemiology of erectile dysfunction: results of the 'Cologne Male Survey'. Int J Impot Res. 2000; 12 (6): 305-11
11 Vardi Y et al. Can low-intensity extracorporeal shockwave therapy improve erectile function? A 6-month follow-up pilot study in patients with organic erectile dysfunction. Eur Urol. 2010; 58(2): 243-8
12 Olsen AB et al. Can low-intensity extracorporeal shockwave therapy improve erectile dysfunction? A prospective, randomized, double-blind, placebo-controlled study. Scand J Urol. 2015; 49 (4): 329-33
13 Lu Z et al. Low-intensity Extracorporeal Shock Wave Treatment Improves Erectile Function: A Systematic Review and Meta-analysis. Eur Urol. 2017; 71 (2): 223-33
14 Clavijo R et al. Effects of Low-Intensity Extracorporeal Shockwave Therapy on Erectile Dysfunction: A Systematic Review and Meta-Analysis. J Sex Med. 2017; 14 (1): 27-35
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16 Spivak L et al. Low-Intensity Extracorporeal Shockwave Therapy for Erectile Dysfunction in Diabetic Patients. Sex Med Rev. 2019. pii: S2050-0521(19)30072-1.
17 Hatzimouratidis K et al. Guidelines on Penile Curvature. European Association of Urology 2017
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21 Krieger JR et al. Shockwave Therapy in the Treatment of Peyronie's Disease. Sex Med Rev. 2019; 7 (3): 499-507
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23 Vahdatpour B et al. Efficacy of Extracorporeal Shock Wave Therapy for the Treatment of Chronic Pelvic Pain Syndrome: A Randomized, Controlled Trial, ISRN Urol. 2013: 972601
24 Rayegani SM et al. Extracorporeal Shockwave Therapy Combined with Drug Therapy in Chronic Pelvic Pain Syndrome - A Randomized Clinical Trial. Urol J. 2019; doi: 10.22037/uj.v0i0.4673. [Epub ahead of print]
25 Michel MS et al. Objective and subjective changes in patients with Peyronie‘s disease after management with shockwave therapy, J Endourol. 2003; 17: 41-4
26 Vardi Y et al. Does low intensity extracorporeal shock wave therapy have a physiological effect on erectile function? Short-term results of a randomized, double-blind, sham controlled study. Urol. 2012; 187 (5): 1769-75
27 Rayegani SM et al. Extracorporeal Shockwave Therapy Combined with Drug Therapy in Chronic Pelvic Pain Syndrome - A Randomized Clinical Trial. Urol J. 2019; doi: 10.22037/uj.v0i0.4673. [Epub ahead of print]
28 Kalyvianakis D et al. Low-Intensity Shockwave Therapy for Erectile Dysfunction: A Randomized Clinical Trial Comparing 2 Treatment Protocols and the Impact of Repeating Treatment. J Sex Med. 2018; 15 (3):334-45
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